„Die Realität wird immer mehr zur Satire!“
In seinem neuen Programm „Vince of Change“ nimmt Vince Ebert am 10. Mai um 20 Uhr im Filmtheater Schauburg Dresden die gesellschaftlichen Veränderungen aus seinem wissenschaftlichen Blickwinkel ins Visier.
elbgeflüster®: Sie argumentieren häufig zynisch und dennoch sehr faktenbasiert – nehmen einige Kritiker Ihnen das übel?
Vince Ebert: Als studierter Physiker waren seit jeher meine Hauptthemen Vernunft, Wissenschaft und rationales Denken. In letzter Zeit jedoch denke ich immer öfter: Und, was hat es gebracht? Sind wir in den letzten Jahren rationaler, besonnener oder klüger geworden? Inzwischen glauben 17 Prozent der deutschen Abiturienten, ein Lichtjahr ist die Stromrechnung für zwölf Monate. Neulich nach einer Show fragte mich ein recht bekannter Politiker es denn möglich sei, dass man 60 % der Stimmen bekommt, obwohl die Wahlbeteiligung doch nur bei 50 % liegt. Wenn die Realität selbst immer mehr zur Satire wird, wird es als Satiriker schon immer schwerer, das zu toppen. Mein Publikum allerdings sieht das zum Glück anders, wie die anhaltend hohen Zuschauerzahlen meiner Shows zeigen.
elbgeflüster®: Veränderung ist das zentrale Thema Ihres Kabarettprogramm VINCE OF CHANGE – warum haben Sie sich gerade jetzt dafür entschieden?
Vince Ebert: Ich stehe seit über 25 Jahren auf der Bühne und mache die Erfahrung, dass der Humor leider immer politisch korrekter geworden ist. Würde z.B. Gerhard Polt heute mit seiner legendären Mai Ling Nummer herauskommen, hätte er wahrscheinlich eine Metoo-Kampagne am Hals. Deswegen spiele ich so gerne im Osten, denn da wissen zumindest die Älteren noch, welche subversive Kraft Satire haben kann. Ein Witz ist im Grunde ein logischer Widerspruch, ein Fehler im System: Heroin ist nichts für Drückeberger, weil die Fixkosten so hoch sind. Durch das Verknüpfen von unorthodoxen Dingen entsteht Erkenntnis. Oder anders gesagt: Lachen verwandelt Mauern in Fenster. Es ist auch kein Zufall, dass in totalitären Systemen der Humor immer bekämpft worden ist. Churchill hat mal gesagt: „Ich sammle Witze, die Menschen über mich machen.“ Stalin hat gesagt: „Ich sammle Menschen, die Witze über mich machen.“
elbgeflüster®: Veränderung macht vielen Menschen Angst. Wie gelingt es Ihnen, diesem Thema den Schrecken zu nehmen – mit Humor?
Vince Ebert: Auf jeden Fall. Nehmen Sie z.B. die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Als ich 1998 auf der Bühne angefangen habe, gab es noch kein iPhone. Heute ist es zu einem Teil von unserem Körper geworden. Wenn mein Handy nur noch auf 10 % Akku läuft, fühl‘ ich mich selbst schwach. Die Computertechnologie hat sich beängstigend entwickelt. Neulich habe ich auf YouTube ein total krasses Deepfake Video gesehen. Eine Computeranimation, in der deutsche Politiker in Kleinkindsprache über Weltpolitik reden. Täuschend echt gemacht. Und dann habe ich gemerkt: Es war der Live-Stream einer Parlamentsdebatte …
elbgeflüster®: Sie sind Physiker. Wie viel Wissenschaft, wie viel Kabarett und wie viel persönliche Haltung steckt im aktuellen Programm?
Vince Ebert: Der Stellenwert der Wissenschaft hat sich in der Tat über die letzten Jahre sehr verändert. Wenn ich heute auf der Bühne erzähle, dass ich Vorlesungen in Kernphysik besucht habe, dann glauben die Leute sofort, ich würde in meinem Hobbykeller Plutonium anreichern. Das stimmt natürlich, aber was ist daran schlimm? Wissenschaftliche Errungenschaften werden inzwischen immer weniger als Lösung oder Chance, sondern als Bedrohung, als Gefahr, gesehen. Kernenergie, Stammzellenforschung, Gentechnik, Künstliche Intelligenz – so eine Stimmung vor 500.000 Jahren und die Sache mit dem Feuer wäre nie genehmigt worden. Statt optimistisch in die Zukunft zu blicken und auf den menschlichen Erfindungsreichtum zu vertrauen, redet eine Minderheit von Apokalyptikern diesem Land ein, dass unsere Zukunft im Reduzieren und Verzichten liegt. Wir sind von einer Wissensgesellschaft zu einer Besserwisser-Gesellschaft geworden.
elbgeflüster®: Sie kombinieren komplexe Themen mit Pointen. Was war bisher die absurdeste Reaktion auf eines Ihrer wissenschaftlichen Beispiele?
Vince Ebert: Vor einiger Zeit sprach mich nach der Show eine Zuschauerin an und meinte: Herr Ebert, ich mag Ihren Humor, ich habe nämlich Asperger“. Ich glaube ja, was sie eigentlich meinte war: „Herr Ebert, ich mag ihren Asperger, ich habe nämlich Humor“. Da ist schon was dran. Privat bin ich nämlich überhaupt kein geselliger Typ. Am schlimmsten sind für mich Anrufe mit unterdrückter Nummer. Ich hebe dann immer ab, und sage: „Alles erledigt, aber es ist überall Blut …“
elbgeflüster®: Was ist Ihnen zuletzt gründlich misslungen – trotz aller Veränderungsbereitschaft?
Vince Ebert: In meinem Programm betone ich ja immer das rationale, vernünftige Denken. Im normalen Leben jedoch scheitere ich ab und an selbst daran. Erst neulich habe ich zwei Minuten lang auf meinen Stuhl angebrüllt, weil ich mir das Schienbein daran gestoßen habe. Und wenn mein Auto eine Panne hat, bin ich persönlich von ihm enttäuscht. Das ist nicht sonderlich rational.
elbgeflüster®: Schenken Sie uns zum Abschluss bitte noch eine Lebensweisheit.
Vince Ebert: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Auch dann, wenn du keinen hast.
+++ Gewinnspiel +++ Gewinnspiel +++ Gewinnspiel +++
Wir verlosen unter allen Teilnehmern 1 x 2 Freikarten.
Mitmachen ist denkbar einfach: Schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „Vince Ebert“ sowie Ihre Kontaktdaten an: gewinnspiel (at) elbgefluester.de oder senden Sie eine Postkarte mit dem Stichwort „Vince Ebert“ an Elbgeflüster, Goethestr. 81, 01587 Riesa. Bitte eine Telefonnummer nicht vergessen. Einsendeschluss: 06.05.25. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Foto: Frank Eidel